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Electronic Warfare

Referent: padeluun, Medienkünstler (padeluun@bionic.zer.de)

Wie auch bei den vorherigen Congressen fand dieses Jahr wieder eine Veranstaltung aus der traditionellen Reihe "Dummheit in Netzen" statt, diesmal zum Thema "Elektronische Kriegsführung" - was dumme User tun, wenn inhaltliche Argumente nicht mehr helfen, um ihre Kommunikationspartner schachmatt zu setzen.

Die Phantasie bzw. Erfahrungen der Teilnehmer waren kaum begrenzt. Einige nette Bösartigkeiten und Beweise für Dummheit will ich zur Abschreckung aufführen:

Nachrichtenabsender fälschen: Viel Spaß scheint es einigen Zeitgenossen zu bereiten, Nachrichten unter anderem Namen zu verschicken, beliebt sind dabei Drohmeldungen von Systembetreibern oder der Netzkoordination. Aber auch ein paar fingierte Brett- oder Mailingslistbestellungen, um das persönliche Postfach des Gegeners mit unerwünschten Nachrichten zu füllen, werden gerne versandt. Unschön ist hierbei jedoch, daß mindestens genauso stark die Netz- und Systembetreiber - nicht zuletzt finanziell - geschädigt werden.

Festplatten sprengen: Wenn der Gegner technisch weniger erfahren ist, wird er gern daran erinnert, daß seine Festplatte viel zu klein ist, indem man ihm kleine Programme oder Archive schickt, die sich beim Entpacken als megabytegroße, aber inhaltslose Textdateien entpuppen oder aber aus hunderten von sinnlosen Mini-Dateien bestehen. Die Entsorgung dieses Mülls stellt viele Benutzer vor unlösbare Probleme. Etwas einfallsreicher waren hier einige dumme Anwender des Fido-Netzes, die als Freizeitbeschäftigung Dateien in einige Systeme stellten, die beim Entpacken das Standardkomprimierungsprogramm ARJ durch ein Fernwartungstool ersetzten, so daß beim nächsten Anruf die Bedienung des gegnerischen PCs bis hin zum Großreinemachen auf der dortigen Festplatte kein Problem war.

Fax mal wieder': Beliebt sind nach wie vor auch die Spiele mit den Faxgeräten anderer Leute, insbesondere weil das noch oft anzutreffende Thermopapier nach wie vor recht teuer ist. Wer für die Auftrüstung nicht selbst Geld an die Telekom abführen will, läßt seinem Gegner von Anbietern, die über die kostenlosenen Service-130-Nummern erreichbar sind, Informationen und Preislisten zufaxen, damit er auch immer gut informiert ist. Weniger Erfolg ist dem Endlosfax mit Klopapier oder dem zusammengeklebten Papier beschieden, weil viele Geräte automatisch abschalten. Besser soll es sein, sehr kurze aber viele Faxe zu schicken, die dann die Funktion des eventuell vorhandenen Papierschneiders überprüfen. Dumme Krieger, die nicht zu dumm sind, fälschen natürlich vor solchen Aktionen ihre eigene Absenderkennung am Fax, wenn sie selbst die Fax-Anrufe tätigen. Dies ist insbesondere ratsam, wenn man im Namen und mit Unterschrift des Gegeners Kühlschränke, Zeitschriftenabos, Big Bands zu Geburtstagen usw. ordert.

Anrufe: Wer freut sich nicht über einen netten Anruf? Nerviger ist dagegen schon, wenn in jeder Nacht dutzende Modembenutzer auf der privaten Sprachleitung anrufen, weil ein liebenswerter Zeitgenosse die Nummer als neue MailBox in diversen Medien angepriesen hat. Beliebt sind auch Sonderangebote ("Verschenke Porsche"). Witziger für den Angerufenen sind dann schon falsch verbundene oder gewählte Gespräche, die man gern mit Reaktionen wie: "Nein, Klaus ist zwar hier, aber er will nicht mehr mit Dir sprechen - er sagt, Du weißt schon wieso" oder "Nein, ich bin nicht von der Firma X, sondern von der Steuerfahndung, wir führen hier gerade eine Beschlagnahme der Akten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch" beantwortet.

Junkmails: Recht einfallslos - und auch hauptsächlich den Netzbetreiber - schädigend sind die bekannten pausenlosen Zitate und Ignorier-Meldungen, Junkmails genannt. Als Hilfe gegen dumme Benutzer, die das noch nicht erkannt haben, wurde der Vorschlag gebracht, im Kopf der Nachricht eine Information dazu unterzubringen, wieviel Zeit der Absender für das Schreiben der Nachricht aufgewendet hat. Natürlich wäre dazu eine Modifikation der Mailprogramme notwendig. Es stellte sich heraus, daß viele erfahrene Anwender die Einsteigerfragen in Diskussionsforen oft als dumme und nervige Fragen ansehen, weil Neueinsteiger oft nicht die grundlegenden Richtlinien für die Kommunikation im Netz oder die Zusammenfassungen der bisherigen Fragen (FAQ - frequently asked questions) beachten. Wenn Neulinge dies absolut nicht begreifen wollen, wandern sie schnell in das sogenannte "killfile" und werden gar nicht mehr gelesen, Kriegsführung durch Isolation.

Printmedien vs E-Mail: Der letzte Teil des Workshops handelte von der Berichterstattung der Printmedien, insbesondere Focus, Spiegel, Emma usw., in den letzten Monaten. Zu einem Großteil wird die MailBoxszene dort durch schlecht recherchierte Berichte in die Kinderporno- oder Naziecke gedrängt, ohne die Möglichkeiten und anderen Themen in den Netzen zu erwähnen. Der Grund dafür mag die Angst der konventionellen Medien vor der neuen schnelleren Technologie zu sein. Durch diese Artikel liefern die Journalisten Politikern Argumente für die Einschränkung der Informationsfreiheit in Netzen und das Verbot der Verschlüsselung privater Nachrichten. Man sieht hier deutlich, daß auch Dummheit außerhalb der Netze mehr als ausreichend vorhanden ist.

Autor: henne

 

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